Zur Fruchtbarkeitsverbesserung in der Milchviehhaltung

Autor: Dr. Klaus-Ingo ARNSTADT, Biolab GmbH München, Alleestraße 11a, D – 85716 UNTERSCHLEISSHEIM

Einleitung

Das Thema Fruchtbarkeit ist in den letzten Jahren zunehmend in den Blickwinkel der Landwirte geraten, sowohl der professionellen Landwirtschaftsberatung in Österreich als auch der Milchviehhalter (BISCHOF und EPPENSTEINER 2003). Das Thema ist keinesfalls neu und hat schon immer eine Rolle gespielt. Aber dass es in der Wahrnehmung (und im Tagungsprogramm) weit oben rangiert, war bislang nicht die Regel. Das sollte anhalten, solange Fruchtbarkeit und Fruchtbarkeitsstörungen von den Bauern selber als ein echtes Problem angesehen werden und einen Spitzenplatz auf der Rangliste aller Probleme in der Milchviehhaltung einnehmen.

Abbildung 1: Probleme im Kuhstall (BISCHOF und EPPENSTEINER 2003)

Einen wichtigen Anstoß zur Problemwahrnehmung lieferten betriebswirtschaftliche Auswertungen seit Ende der neunziger Jahre, die aufzeigten, dass Remontierungsraten von 30% und mehr an die wirtschaftliche Substanz der Milchviehhaltung gehen. Bis es soweit kommt, müssen einige Faktoren zusammentreffen: Hoher Besamungsindex und damit hohe, Besamungskosten, Überraschungen bei der tierärztlichen Trächtigkeitsuntersuchung, Leistungsabfall infolge unwirtschaftlich langer Rast- bzw. Zwischenkalbezeiten, spät erkannte und häufig trotz hoher Tierarztkosten nicht therapierbare Fruchtbarkeitsstörungen, vorzeitige Ausmerzung genetisch wertvoller Tiere mit negativen Folgen für Langlebigkeit, Nutzungsdauer und züchterischen Fortschritt.

Das ist kein unausweichliches Schicksal. Um die Situation zu verbessern, gibt es verschiedene Möglichkeiten, Strategien, Mittel und Mittelchen. Nicht alle taugen etwas. Hier soll in der Hauptsache ein erprobtes System vorgestellt werden, das zuerst einmal Einblick in den Fruchtbarkeitsstatus gewährt, sowohl bei der Einzelkuh als auch auf Herdenebene, bevor tierärztliche, therapeutische oder biotechnische Maßnahmen ergriffen werden (künstliche Besamung, medikamentöse Behandlung, Vorbereitung zum Embryotransfer), die häufig genug auf Verdacht erfolgen. Es ist die Fruchtbarkeitskontrolle mit Hilfe eines zuverlässigen Milchtests zum Selbermachen. Andere Möglichkeiten werden kurz andiskutiert.

Voraussetzungen

Setzen wir voraus, dass die Grundversorgung einer Herde in Ordnung ist, wozu bekanntlich Fütterung, Versorgung mit Spurenelementen, Stall- und Melkhygiene, Kuhkomfort etc. gehören. Eine solide tierärztliche Betreuung mit zuchthygienischer Untersuchung in der Nachgeburtsphase gehört ebenfalls dazu und fener das Bewusstsein, dass die Herdenfruchtbarkeit mit der Brunstbeobachtung steht oder fällt. Versäumnisse dieser Art kann eine Fruchtbarkeitskontrolle per Milchtest nicht kompensieren.

Ist die Basis gesichert, kann man sich Verbesserungsmöglichkeiten zuwenden, die z.B. ein zuverlässiger Milch-Progesterontest bietet. Progesteron ist das Indikator-Hormon für den Gelbkörper. Dieser besitzt eine Schlüsselfunktion im ganzen Fruchtbarkeitsgeschehen einer Kuh, angefangen vom ersten Zyklus bis hin zur Abkalbung.

Ich habe verschiedene Tests für Progesteron entwickelt, die ohne Radioaktivitätsmessung (RIA) auskommen (ARNSTADT und CLEERE 1979, 1981). Sie werden allgemein Enzym-Immuntest (EIA) oder ELISA genannt, Das war die Grundlage für eine größere Nutzung von Progesteronmessungen in der landwirtschaftlich-tiermedizinischen Praxis, denn eine enzymatische Farbentwicklung kann mit einfachen Mitteln photometrisch oder mit dem bloßem Auge erfasst werden. Radioaktivität sieht man nicht Die andere und ebenso wichtige Voraussetzung schenkte uns die Natur mit der Milch. Ich konnte rasch der verblüfften Fachwelt demonstrieren, dass Kuhmilch nicht nur Ersatz für das in der Tiermedizin allgemein beliebtere Blutserum ist Im traditionellen RIA bereitete der Fettgehalt der Milch stets Probleme, die damals mit unverhältnismäßig großem Laboraufwand in Schach gehalten wurden. Ich konzipierte den EIA als Labortest so, dass der Einsatz von Milch nur noch Vorteile bietet: Direkttest ohne Umweg über Milchfettgewinnung, Lösungsmittelextraktion und Lösungsmittelentfernung (ARNSTADT und SCHMIDT-ADAMOPOULOU 1982), Verkürzung der Testdauer von 1½ Tagen auf ½ Tag (FISCHER und ARNSTADT 1982); Ausgleich der Schwankungen des Progesteronspiegels im Blut, bedingt durch pulsatile GnRH-Ausschüttung, indem die Ansammlung der Milch im Kuheuter von Melkzeit zu Melkzeit einen Pool bildet, der die unterschiedliche Progesteronsekretion dieses Zeitraums mittelt (HOEDEMAKER et al. 1984). Allem voran steht natürlich die verlockend einfache Probennahme der Milch, verglichen mit der Gewinnung und Stabilisierung von Blutproben. Diese Entwicklungen wurde zwar von Teilen der tierärztlichen Fachwelt, einer intriganten deutschen Milchfett-Lobby mit internationaler Verzahnung, ungewöhnlich heftig befehdet, überzeugten aber rasch unvoreingenommene Kollegen und fanden weltweit Anerkennung.

In der Form eines Labortests wurde der Progesteron-EIA meiner Entwicklung auch in Österreich etabliert und für Probeneinsender angeboten, zuerst von der Bundesanstalt für künstliche Besamung der Haustiere in Wels, der Besamungsstation Birkenberg für Tirol und später vom Milchprüfring Niederösterreich in Gmünd. Diesen Laboreinrichtungen werden seitens der Landwirte stets zuverlässige Testergebnisse und ein bauern-freundlicher Service nachgesagt. Die Progesteron-Servicelabors zeigten, dass prinzipiell ein Interesse an Milchproges-terontests für die landwirtschaftliche Praxis besteht.

Mit dem damals Erreichten war das Tor für Weiterentwicklungen geöffnet. Es folgten Schnelltests zum Selbermachen. Etliche Entwicklungsversuche waren praxisuntauglich, wurden vorschnell in den Markt gedrückt, durch zahlende Bauern erprobt und scheiterten. Das glückliche Österreich war meines Wissens von den meisten dieser kostenpflichtigen Feldversuche verschont geblieben. Verfahren zur Absicherung von z.B. unsicheren Brunstbeobachtungen (20–30% falsch), die selber nicht sicher sind und zu 20–30% unrichtige Ergebnisse liefern, sind keine wirkliche Hilfe, jedenfalls nicht für den Landwirt.

Der finanziell gut ausgestatteten Industrie, unterstützt von einschlägigen Universitätsinstituten und staatlichen Fördermitteln, gelang es nicht, praxisgerechte, zuverlässige Tests mit mehr als 70–80% Trefferquote zu entwickeln und zu produzieren. Nachdem selbst die zweite Generation von Progesteron-schnelltests nicht praxistauglich war, habe ich die Herausforderung angenommen, es besser zu machen. Auf der Basis exakter quantitativer Labortests konnte ich einen zuverlässigen Test für den Bauernhof bzw. für die Tierarztpraxis entwickeln, der anfangs – das war 1993 – eine Trefferquote von ca. 91% hatte (Tabelle 1). Er wurde stetig weiterentwickelt. In der heutigen Form liefert der Progesterontest „Hormonost® Easy Milch“ eine 100prozentig sichere Aussage über die An- und Abwesenheit eines Gelbkörpers.

Tabelle 1: Semiquantitative Progesteron-Schnelltests für den Bauernhof und die Tierarztpraxis im Vergleich der Inkubations- (Warte-) zeiten im Testablauf und der Zuverlässigkeit

Testkit

Literatur (s.u.)

Hersteller

Vertrieb für Deutschland zur Zeit der Evaluierung

Trefferquote

Inkubations- bzw. Wartezeiten (Minuten)

Ovucheck®-Praxistest
Rapid WELL Kit

1, 2

Cambridge Vet. Science, UK

Smith Kline GmbH

70,5%

8–10

Progestassay® Milchprogesterontest

1, 2

Pitman-Moore, USA

Janssen GmbH

72,5%

15–20

Reprostrip Progesteron Schnelltest

1, 2

Noctech, Irland

A. Albrecht GmbH & Co. KG

70,9%

10

Enzygnost® Milchprogesteron

2

Hoechst IQ (Bio), UK

Hoechst Veterinär GmbH

73,9%

27

Bovitest®

3

Santel, Frankreich

Dr. Berger GmbH & Co. KG

39% wenn TU-
80% wenn TU+

10

Hygia® RPT

4

ImmuCell®, USA

Hartmann AG

73,5%

4

Target®

4

BioMetallics, USA

A. Albrecht GmbH & Co. KG

73,5%

8 (alt)
12 (neu)

Cowside Rapid Tube Kit
identisch mit folgendem:

4

Cambrigde Vet. Science, UK

Biolab GmbH, München

81,0%

6–10

„Calgonit Trächtigkeitstest“

Vétoquinol Frankreich

La Porte
Hygiene

Hormonost® Schnelltest

4

Biolab
GmbH, München

Biolab GmbH,
München

91,0%
(Jet-Version 100%)

9–13
5

Stand 1993

Aktualisierungen: 1997 Hormonost® Jet-Version; 1998 Vermarktung des Cowside Rapid Tube Kits unter dem neuen Namen als „Calgonit Trächtigkeitstests“ mit Vertrieb in Deutschland und Österreich.

Literatur zur Evaluierung der Tests

  1. ARNSTADT, K.-I., A. SOBIRAJ und R. SCHEIBNER, 1987: Progesterontests für die Praxis – was sie können, was sie kosten. Top Agrar 2/87, 24–26.

  2. SOBIRAJ, A., K.-I. ARNSTADT, R. SCHEIBNER und B. LEHMANN, 1989: Vergleich praxisrelevanter Milchprogesteron-Schnelltests mit einer laborgebundenen Routinemethode beim Rind. Tierärztl. Praxis 17, 21–25.

  3. SANER, R., 1988: Zeitschr. Zuchthygiene 23, 113.

  4. SOBIRAJ, A., K. SEYREK-INTAS, B. WOLLGARTEN und B. TADAY, 1995: Die Anwendungseignung aktueller Milchprogesteron-Schnelltests für Rinder im Vergleich zu einer laborgebundenen Routinemethode. Tierärztl. Praxis 23, 32–36.

 

Wegen der notwendigen Abgrenzung von Fehlentwicklungen und Testentwicklungsversuchen, die allesamt den Namen „Progesterontest“ reklamierten, aber infolge von Falschaussagen zwischen 20–60% (!) unter Zurücklassung von Flurschäden wieder verschwunden sind, habe ich meine Schöpfungen „Hormonost®“ genannt. Diese wurden zuerst in der Praxis erprobt und dann in die Öffentlichkeit gebracht, nicht umgekehrt, wie es in Mode gekommen ist.

Progestassay®, Reprostrip®, Bovitest®, Hygia®-Test und Target®-Test Milch haben dem Ruf des Prinzips „Milchprogesterontest“ sehr geschadet und immer wieder zweifehl lassen, ob das überhaupt geht und ob „der Progesterontest“ nicht eher eine große, schillernde Seifenblase ist, die bei Berührung mit der Praxis stets platzt. Wenn heutzutage das Prinzip Milchprogesterontest für die landwirtschaftliche und tiermedizinische Praxis überhaupt noch ein Thema ist, dann durch solcherart harte und über viele Jahre unbezahlte Arbeit, kombiniert mit seriösem Vorgehen auf dem landwirtschaftlichen Markt, wie ich es praktiziert habe.

Es liegt nach Tabelle 1 auf der Hand, dass es bei der Vielzahl von Progesterontests verwirrend und geradezu falsch ist, von dem Progesterontest zu sprechen, als ob es nur den einen gäbe. Die falsche Bezeichnung hat sich leider eingebürgert, aber man sollte schon genau trennen und angeben, von welcher Spreu oder von welchem Weizen man spricht oder schreibt.

Außer den verfahrenstechnischen Voraussetzungen für den Test selber braucht man zur sinnvollen Nutzanwendung in der landwirtschaftlichen Praxis ein erprobtes, zuverlässiges Anwendungsschema, das auch den tiermedizinisch wenig bewanderten Laien ans Ziel führt.

Auch hier war Pionierarbeit notwendig, um von einer vor dem rein akademischen, retrospektiven Betrachtungsweise, wo man alles über die Kuh wusste, wenn es zu spät war, auf die in situ-Erfassung einer Fruchtbarkeitssituation zu gelangen (ARNSTADT 1983, ARNSTADT und FISCHER-ARNSTADT 1984). Das Prinzip ist, mit einem Minimum von Milchproben und Kosten hilfreiche Informationen zu erhalten, um dann rechtzeitig das Richtige zu tun. Das allgemeine Ziel lautet: Weniger auf Verdacht behändem oder besamen, sondern zuerst die Ausgangssituation erkennen, eine Diagnose erstellen, um dann im nächsten Schritt fundiert über die anstehende Maßnahme zu entscheiden, z.B. besamen oder warten, Brunst einleiten oder Zyklus starten.

Hormonost® ist schnell genug, dass man die Erfolgsaussichten auch einer dringend anstehenden Maßnahme vorher absichern kann. Der Test lässt sich in den Tagesablauf auf dem Bauernhof integrieren. Da empfiehlt sich die Frühstücksoder Büropause nach dem Morgenmelken. Wenn man die Wartezeiten im Test von 1×3 und 2×5 Minuten anderweitig nutzt, läuft er quasi nebenher. Die Handgriffe dauern nach Einübung insgesamt etwa 2–3 Minuten. Für eine Tierarztpraxis wäre vielleicht die Mittagspause günstig, wenn von der Morgenrunde der Hofbesuche Milchproben zur Differentialdiagnose unklarer Eierstocksbefunde mitgebracht werden.

Anwendungen von Hormonost®

Die Testanwendungen sind mehrfach publiziert worden (ARNSTADT und FISCHER-ARNSTADT 1984, ARNSTADT und FUSCHINI 1995, ARNSTADT 1992–2006). Das Grundprinzip hat ein Agrar-Ingenieur, der als Betreuer einer großen Herde mit 520 Kühen den Hormonost®-Test kennenlernte, auf einen ganz unakademischen Punkt gebracht: „Entweder Progesteron ist da, oder es ist nicht da! Alles weitere ergibt sich daraus“ (ARNSTADT 2003). Was das ist, zeigt die nachfolgende Graphik schematisch.

Wer dieses Schema „Progesteronverlauf während Zyklus und Trächtigkeit“ verstanden hat, wird sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf dem Terrain der Hormonost®-Anwendung bewegen. Die für den Züchter wichtigsten Fragen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Zur Testanwendung gehört also stets eine spezifische Frage, die von der Beobachtung des Tieres herkommt und die der Test beantworten soll, z.B. die Brunstbeobachtung. Sie führt mitunter zur Frage: Ist das eine echte Brunst oder eine Scheinbrunst aufgrund von Zwischenzyklusfollikeln? Spielt die Kuh vielleicht nur aus Freundschaft zur Nachbarin ein bisschen mit auf Brunst? Stiert sie aufs Kalb?

Abbildung 2: Schematische Darstellung von Progesteronverlauf und Farben im Teströhrchen des Hormonost®-Tests (ARNSTADT und FUSCHINI 1995)

Der Progesterongehalt der Milch schwankt während des Brunstzyklus’ einer Kuh. Bei Brunst ist er niedrig (Teströhrchen dunkelblau, Bereich 1). Ca. 3 Tage danach steigt er deutlich an (Teströhrchen mittel- bis hellblau, Bereich 2), erreicht ab Tag 7–10 hohe Werte (Teströhrchen leichtblau bis blaustichig, Bereich 3) und fällt 2–3 Tage vor der nächsten Brunst (Zyklustag 21) wieder ab. Erfolgt eine Befruchtung, bleibt die Progesteronkonzentration während der gesamten Trächtigkeit hoch, so auch am Tag 21 nach der Besamung (Trächtigkeitstag 21, Bereich 3). Das ist die biologische Grundlage dafür, dass man durch gezielte Miichproben an den Tagen 0, 7 (evtl. 14) und 19–23 mit wenigen Tests Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten einer Besamung, Zyklus (Eisprung?) inkl. Zystenverdacht und den Besamungerfolg (Frühträchtigkeit am Tag 21) ziehen kann (ARNSTADT).

Tabelle 2: Fragen zum Fruchtbarkeitsgeschehen der Milchkühe, die ein zuverlässiger Milch-Progesterontest beantwortet:

 

  1. Besamungsfähige Brunst (bzw. Brunstzeitraum) oder Scheinbrunst (ohne Chance auf einen Beamungserfolg).
  2. Stillbrunst mit (Nach-)Besamungs-Chance oder Frühträchtigkeit drei Wochen nach Besamung.
  3. Fruchtbar (da Brunstzyklus vorhanden) oder Fruchtbarkeitsstörung (evtl. infolge einer Follikel-Zyste).

 

Zur Orientierung für den normal gebildeten Landwirt wurden die Anwendungen in einer systematischen Tabelle erfasst, die sofortigen Überblick und Sicherheit bei der Testinterpretation vermittelt. Die Tabelle beginnt mit der Beobachtung am Tier und endet im Ja/Nein-Schema der Testinterpretation. Sie wird mit dem Hormonost®-Test mitgeliefert und kann auch im Kuhstall neben dem Brunstkalender aufgehängt werden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist kein Stoff zum auswendig lernen, auch die Testanleitung nicht, sondern zum Nachschauen und Nachschlagen. Hier darf gespickt werden.

Hormonost® ist also nicht nur ein Test, sondern der integrale Bestandteil eines Systems der Fruchtbarkeitskontrolle in Milchviehbetrieben. Dieses System wurde von mir und Mitarbeitern entwickelt und modellhaft erprobt. Zu Ehren des Ortes der ersten Anwendung nannten wir es „Herbertinger Modell des Fertilitätsdienstes einer Besamungsstation“. Das Anwendungsprinzip hatte seinerzeit Verbreitung gefunden, häufig mit diskreter Behandlung des Ursprungs, unter anderem Namen und abgewandelt, was auf Kosten von Zuverlässigkeit und Effizienz verschiedener Fertilitätsdienste in Deutschland und in der Schweiz ging. Trotzdem war das Modell als Basis solide genug, dass es universell anwendbar war, und nach kleinen Anpassungen auch dem aktuellen Hormonost®-Test zum Selbermachen zu Grunde liegt.

Nutzeffekt durch frühzeitige Problemerkennung

Fruchtbarkeitsprobleme können verschiedene Ursachen haben. Die häufigsten Ursachen liegen nicht beim Tier (nutritive, virologische, gynäkologisch-pathologische Ursachen), sondern beim Management, sei es infolge ungenügender Brunstbeobachtung oder Brunsterkennung oder nicht optimalen Besamungsmanagements. Hormonost® in der Anwendung zur Brunstkontrolle kann das klären und rasch in einem Problembetrieb Übersicht verschaffen. Dabei wird sich herausstellen, dass nicht alle Problembestände echte Probleme haben. Sie können scheinbar sein. Vom anschaulichen Beispiel eines Betriebes in der Schweiz berichtete der Besamungsstationstierarzt Dr. Enzo FUSCHINI, Bütschwil. Der Bauer war über das TU-Ergebnis verzweifelt. Sämtliche 10 Kühe waren nicht tragend und hatten laut Hoftierarzt Zysten. Der Hormonost®-Test zeigte bei allen Kühen einen Gelbkörper an, was Follikel-Theka-Zysten und deren Behandlung ausschloss. Das machte skeptisch. Für eine palpatorische TU war es zu diesem Zeitpunkt noch zu früh, aber später ab 7. Woche konnte bei fünf Kühen eine Trächtigkeit nachgewiesen werden. Die restlichen Tiere kamen nach und nach in eine natürliche Brunst.

Ist die Hormonost®-Anwendung nur Problembetrieben zu empfehlen? Nein. Es gibt in ansonsten fruchtbarkeitsgesunden Herden die eine oder andere Kuh, die ausschert, den Stalldurchschnitt verdirbt und zur Problemkuh wird. Darüber hinaus soll es – nicht nur theoretisch – Problemtierärzte und -besamungstechniker geben, meinen zumindest manche Bauern. Ob so ein Verdacht berechtigt oder Täuschung ist, weil ein Sündenbock für eigene Versäumnisse gebraucht wird, kann mittels Hormonost® objektiv beurteilt werden.

Ist durch Brunstkontrolle sicher gestellt, dass die Besamung auf eine echte Brunst (Zyklusbeginn = „Tag 0“) erfolgt, lässt sich per Hormonost® drei Wochen danach eine Stillbrunst ermitteln, wenn die Kuh keine Symptome zeigt, aber die KB erfolglos war. Im Durchschnitt entdeckt man bei zwei von fünf Kühen, die nicht sichtbar umrindern, eine Stillbrunst. Diese lässt sich unmittelbar zur Nachbesamung nutzen. Die Besamung auf eine stille Brunst hat entgegen mancher Gerüchte, die in ländlichen Gegenden immer noch kursieren, dieselben Erfolgsaussichten wie die auf eine deutlich sichtbare Brunst.

Bei der o.g. Vorgehensweise ist die nachfolgende Trächtigkeitsaussage per Hormonost® drei Wochen nach KB entgegen anders lautenden Lehrbuchmeinungen zu ca. 95% sicher. Liegt sie wesentlich darunter, sollte systematisch nach pathologischen Ursachen einer erhöhten Embryonensterblichkeit gesucht werden.

Das Anwendungsbeispiel „Früherkennung von Zysten“ und dessen Bedeutung für die Senkung der Ausmerzrate wegen Unfruchtbarkeit soll nur genannt werden. Es gibt noch weitere Spezialanwendungen, die in der ausführlichen Broschüre zum Test diskutiert werden (ARNSTADT 1992–2006). OvSynch-Verfahren, die nach Ernüchterung im routinemäßigen Einsatz auf Herdenebene schon wieder aus der Mode geraten sind, können bei therapeutischer Anwendung am Einzeltier rascher Erfolge bringen, wenn vor Beginn des Behandlungsregimes der Fertilitätsstatus mit Hilfe von Hormonost® ermittelt wird.

Eine für die veterinärmedizinische Hochschulforschung ergiebige Technik, die Ultrasonographie hat vorwiegend aus kommerziellen Gründen der Geräteanbieter auch Eingang in die Rinderpraxis gefunden. Trächtigkeitsuntersuchungen per Ultraschall werden als Fortschritt ausgewiesen, da man schon ab dem Tag 30 p.i. (nach KB) Aussagen treffen kann und gegenüber der herkömmlichen Palpation des Eierstocks einen Zyklus gewinnt. Der erfahrene Besamungsstationstierarzt Dr. Christian BAUMANN, Schönböken, hat bereits 1999 darauf hingewiesen, dass diese Argumentation wenig überzeugt und ein Scheingewinn ist (BAUMANN 1999). Will man zur Nachbesamung die nächstfolgende natürliche Brunst nutzen, muss man sowieso bis zum Tag 42 warten. Ab Tag 42–45 können viele Tierärzte auch ohne Ultraschalluntersuchung eine Trächtigkeit oder Nichtträchtigkeit feststellen. Aufwand und Kosten der Ultrasonographie lohnen sich nicht für die Einzeltieruntersuchung, sind aber bei mehreren Tieren pro Hofbesuch kostenmäßig akzeptabel. Also wartet man zweckmäßigerweise, bis einige Kühe zusammenkommen. Dann befindet sich die Mehrheit der Kühe weit über dem Limit-Tag von 30, vielleicht an den Tagen 40 – 50 – 60, und dann wird der Zeitgewinn gegenüber einer traditionellen TU erst recht fraglich.

Mit einem zuverlässigen Milchprogesterontest wie Hormonost® spart der Landwirt durch Nachbesamung am Tag 21 tatsächlich einen Zyklus, und gegenüber der Sammeluntersuchung per Ultraschall meist zwei Zyklen. Er kann noch mehr profitieren. Denn ein Teil der Kühe, die um den Tag 30 als leer erkannt werden, sind es meist vorher schon und von Anfang an, nämlich infolge der sogenannten Lutealphasenbesamung (= Gelbkörperbesamung). Diese machen in der durchschnittlichen Besamungspraxis 12–20% aller Besamungen aus. Bei wenig geübten Besamern kann der Anteil auf 30% steigen, in Problembetrieben und bei Problemtieren auf 30–50%. Diese Nichtträchtigkeiten können mit Hormonost® schon 30 Tage vorher, nämlich am vermeintlichen Tag 0 entdeckt werden, was dem Zeitgewinn von zwei Zyklen gegenüber der Ultraschall-TU entspricht. Nach Ultraschall-Argumentation würde man sogar drei Zyklen gewinnen.

Eine ähnliche Rolle rückwärts in Sachen Fortschritt wird gegenwärtig von einer Göttinger Gruppe um HOLTZ vorgeturnt (MORTEN und HOLTZ 2005). Ein PAG genannter Test, für den der Tierhalter Blut aus der Schwanzvene einschicken soll, sagt die Nichtträchtigkeit ab Tag 30 p.i. an. Abgesehen von der Infektionsgefahr für Kuhschwänze erhebt sich hier die Frage, wie lange man wohl studiert und geforscht haben muss, um zu dem Schluss zu gelangen, dass Tag 30 früher als Tag 21 oder Tag 0 ist und somit ein Gewinn an ZKZ bedeutet?

Akzeptanz

Wenn die Fruchtbarkeitskontrolle über die Milch den Landwirten in der richtigen Form beigebracht wird, wie es kürzlich vom Landeskontrollverband Niederösterreich und der NO Landwirtschaftskammer mit großem Geschick und Engagement begonnen wurde, findet dieses System eine überraschend gute Resonanz. Laut Umfrage kamen 92% der Bauern damit zurecht; der Rest hat Interesse an einem Fortbildungskurs zum Thema Fruchtbarkeit und wird zusätzlich beraten. Tatsächlich kann man viele Fragen der Fruchtbarkeit an der Anwendung des Testsystems aufhängen und bei Fortbildungsveranstaltungen mehr bieten als reinen Lernstoff und schöne Worte zur geistigen Erbauung, die im Berufsalltag gerne schnell vergessen werden. Man kann ihnen mit einer Testpackung etwas in die Hand geben, das sie selber machen können, mit dem sie den Vortragsstoff im praktischen Alltag ihres Betriebes in sichtbare Erfolge umsetzen können (Tabelle 3).

Tabelle 3: Mobilisierbare Wirtschaftlichkeitsreserven durch Verbesserung der Herdenfruchtbarkeit mittels Hormonost®

Erreichbares Ziel

 

  1. Niedrigerer = besserer Besamungsindex, z.B. 1,3 statt 2–3
  2. Kürzere Zwischenkalbezeit (ZKZ)
  3. Weniger Hormon-Behandlungen
  4. Wenn Hormon-Behandlungen, dann erfolgreicher. Resultat: weniger Ausmerzungen wegen Unfruchtbarkeit.

 

Kosten/Nutzen-Verhältnis
Kosten ca. 3–5 Euro (netto) pro Test;
Zeitbedarf ca. 15 Minuten pro Durchgang, auch mit mehreren Kühen.
Wirtschaftlichkeitsgewinn bis zu 25, 50 oder 125 Euro pro entdeckter Scheinbrunst, Stillbrunst oder Zyste, je nach Einsatz- und Kalkulationsart.

Wertschöpfungsmöglichkeit
Mobilmachung von versteckten Reserven, pro Kuh und Jahr entsprechend einer Milchleistungssteigerung von umgerechnet ca. 400–1.000 kg. Relativ schnell ohne jahrelange Züchtungsarbeit erzielbar, zusätzlich zum Zuchtfortschritt.

Die Fruchtbarkeitskontrolle mit Hilfe von Hormonost® als Voraussetzung eines effizienteren Fruchtbarkeitsmanagements kann der Landwirt selber machen – oder an die Bäuerin delegieren. Für den Einstieg muss er nicht die ganze Materie studiert oder auswendig gelernt haben. Er braucht nur folgendes zu wissen: Die Fruchtbarkeitskontrolle mittels Hormonost® ist ein logisch aufgebautes System. Der Pfad von der Kuh über das Test-ergebnis bis zur sinnvollen Maßnahme ist schematisch vorgezeichnet, dem braucht er nur zu folgen.

Fruchtbarkeitsprobleme kommen häufig vor. Die Verluste rangieren vor denen durch Euter- und Kälberkrankheiten. Was bei den einzelnen Fruchtbarkeitsstörungen zu tun ist, weiß man bzw. der Tierarzt, aber nicht selten erst mit einer Zeitverzögerung oder wenn es für das Tier selber zu spät ist. Mit Hormonost® kommt der Züchter zeitsparend weiter. Eine regelmäßige Anwendung der Fruchtbarkeitskontrolle wirkt prophylaktisch, da Probleme im Frühstadium erkannt und gelöst werden. Die wirtschaftliche Bedeutung einer gezielten Fruchtbarkeitskontrolle per Milchtest ist im Allgemeinen nicht genügend bekannt. Die Kosten infolge nicht optimaler Herdenfruchtbarkeit sieht man nicht täglich, nur hin und wieder bei der Auswertung. Sie schlagen aber trotzdem zu Buche. Die Wertschöpfung durch Mobilmachung von Reserven in der Fruchtbarkeit lässt sich pro Kuh und Jahr berechnen. Sie entspricht einer Milchleistung von 400–1.000 kg, ist aber relativ schnell und ohne jahrelange Züchtungsarbeit erreichbar. Bei Fragen zu diesem Themenkomplex könnten Zucht- und Landwirtschaftsberatung vielleicht noch stärker informativ und bewusstseinsbildend im Interesse der Landwirte wirksam werden.

Schlussfolgerung

Von dem Progesterontest haben viele gehört und gelesen. Meist kennt man nur den Begriff, verwendet das Schlagwort und schreibt schneller darüber, als man Grundlagen, Anwendung und Testsystem verstanden hat (ROSSOW 2006). Auch bei grundsätzlichem Verständnis der Materie führt das Zusammenwerfen sehr verschiedener Bestimmungsmethoden mit methodengebundenen Resultaten zu einem verwirrenden Gemenge mit zwangsläufig fehlerhaften Schlussfolgerungen (OBRITZHAUSER und BEHM 2004). Ziel und Zweck meiner Ausführungen ist, das Interesse an Milchprogesteronbestimmungen für das Herdenmanagement anzuregen bzw. wiederzubeleben. Die Anwendungsmöglichkeiten, die sich mit einem System auf solider Basis – wie vorgestellt – bieten, sind noch nicht ausgeschöpft. Aber es lohnt sich, schon jetzt damit zu beginnen.

Literatur

AKNSTADT, K.-I. und W. CLEERE, 1979: Enzym-immunoassay for progesterone applied to milk sample. In: Proceedings of the Conference, „Applications of Radioimmunoassay and related Methods in Animal Science“, Warschau 1979, 25.

ARNSTADT, K.-I. und W. F. CLEERE, 1981: Enzyme-immunoassay for determination of progesterone in milk from cows. J. Reprod. Fert. 62, 173–180.

ARNSTADT, K.-I. und B. SCHMIDT-ADAMOPOULOU, 1982: Direct Enzymimmunoassay for Determination of Progesterone in Milk from Cows. Br. vet. J. 138, 436–438.

ARNSTADT, K.-I., 1983: Möglichkeiten der Progesteronbestimmung mit Hilfe eines Enzym-Immuntests (EIA). Wien, tierärztl. Mschr. 70, 248.

ARNSTADT, K.-I. und A.-R. FISCHER-ARNSTADT, 1984: Neuer Hormontest deckt Fruchtbarkeitsstörungen auf. Top Agrar 2/84, 8–12.

ARNSTADT, K.-I. und A.-R. FISCHER-ARNSTADT, 1985: Progesteronbestimmung als Hilfsmittel der Brunstkontrolle. Tierärztl. Umschau 40, 391–400.

ARNSTADT, K.-I, 1992 – 2006: Broschüre zum Hormonost®-Test, © 1992 Biolab GmbH, München, in der jeweils aktualisierten Fassung. Zusammenstellung weiterer Fachpublikationen unter „http://www.biolab-muenchen.de“.

ARNSTADT, K.-I. und E. FUSCHINI, 1995: Der Brunst auf der Spur. Top Agrar extra „Fruchtbarkeit im Kuhstall“, 5. Aufl., 86–88.

ARNSTADT, K.-I., 2003: Praxiserfahrungen mit einem Fruchtbarkeitstest (Hormonost®) für die Milchkuh. Rind aktuell, Mitteilungsblatt Zuchtverband Mecklenburg-Vorpommem, 16, 75–76.

BAUMANN, C., 1999: Ultraschall-Trächtigkeitsuntersuchung. Rind im Bild, Mitteilungsorgan der Rinderzucht Schleswig-Holstein eG und des Landeskontrollverbandes Schleswig-Holstein e.V., 8 (l) 20.

BISCHOF, J. und J. EPPENSTEINER, 2003: Probleme im Kuhstall – Umfrage unter 1800 Milchviehhaltern der Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Erhebung 2001/2002 der GARANT-Tierernährung GmbH, Vortragsserie Garant-Seminare 2003.

FISCHER, A. und K.-I. ARNSTADT, 1982: Direktbestimmung von Progesteron in der Milch (EIA) zur Fertilitätskontrolle und Brunstvoraussage bei Kühen. 31. Internationale Fachtagung Wels. Zeitschr. Zuchthygiene, 17, 225.

HOEDEMAKER, M., K.-I. ARNSTADT und E. GRUNERT, 1984: Bestimmungen von Progesteron in bovinen Blut- und Milchproben mit Hilfe verschiedener Methoden des Radio- und Enzymimmuntests. Zbl. Vet. Med. A.

MORTEN, F. und W. HOLTZ, 2005: Günstig und sicher – Die Uni Göttingen hat einen neuen Trächtigkeitstest entwickelt. Elite 2, 36–37.

OBRITZHAUSER, W. und D. BEHM, 2004: Arbeitsgruppe Wiederkäuer. Programm zur Bekämpfung von Fruchtbarkeitsstörungen in der österreichischen Rinderhaltung. Amtliche Veterinärnachrichten 10a.

ROSSOW, N., 2006: Eignung des Progesterontests in der Milch für die Fruchtbarkeitsüberwachung in Milchkuhbeständen. Impressum Portal-Rind 09.01.2006, l-6 (www.portal-rind.de).

(Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein: 33. Viehwirtschaftliche Fachtagung, 26.–27. April 2006, 5–10.)

zurück